14.12.2023 Leipziger Tierärztekongress

Schweinehaltung in Deutschland auch künftig möglich? 12. Leipziger Tierärztekongress diskutiert Transformationsprozess

Die Herausforderungen der Schweinehaltung heute & morgen stehen im Mittelpunkt einer Vortragssession auf dem 12. Leipziger Tierärztekongress (18. bis 20. Januar 2024). Prof. Dr. Nicole Kemper von der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover liefert dabei eine wissenschaftliche Einschätzung zur grundsätzlichen Frage: „Schweinehaltung in Deutschland weiterhin möglich?“ Außerdem werden unter anderem One-Health-Aspekte im Zusammenhang mit der Schweinezucht debattiert – also das Zusammenspiel der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.

Die Landwirtschaft in Deutschland und damit verbunden ebenso die Schweinehaltung stehe vor einem gesellschaftlich und politisch geforderten massiven Transformationsprozess, betont Prof. Dr. Nicole Kemper, Leiterin des Instituts für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie (ITTN) der TiHo Hannover und Diplomate des European College of Porcine Health Management. Die Anforderungen bei dieser Umgestaltung reichen von mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung bis zu einer besseren Klimabilanz und nachhaltigerer Ressourcennutzung. „Um die Schweinehaltung zukunftsfähig zu machen, müssen sämtliche Akteurinnen und Akteure zusammenarbeiten, von den Tierhaltenden über die praktizierenden Tierärztinnen und -ärzte bis hin zu den Verbänden und der Wissenschaft“, unterstreicht die Fachtierärztin für Mikrobiologie und für Tier- und Umwelthygiene. „Dies wird dem Wohle der Tiere dienen, aber auch Perspektiven für die deutsche Schweinehaltung eröffnen.“

Strukturwandel in vollem Gange

Allein in den vergangenen zehn Jahren seien über 40 Prozent der Betriebe in Deutschland aus der Schweinehaltung ausgestiegen. „Von allen landwirtschaftlichen Betriebszweigen ist in der Schweinehaltung aufgrund der Vielzahl der erforderlichen Veränderungen und des bereits stattfindenden extremen Strukturwandels der Handlungsbedarf am größten“, stellt Prof. Kemper fest. „Laut Statistischem Bundesamt hielten im Mai 2023 noch 16.200 Schweinehalter in Deutschland knapp 21 Millionen Schweine.“ Der Anteil der ökologischen Schweinehaltung befinde sich mit unter einem Prozent auf einem sehr niedrigen Niveau.

Mehr Mehrwert für die Schweine

Zielkonflikte stellen laut Prof. Kemper bei der Umgestaltung der Schweinehaltung eine besondere Herausforderung dar: „Wie lässt sich zum Beispiel mehr Tierwohl durch Zugang zu einem Außenbereich realisieren, ohne dass es zu Abstrichen beim Seuchenschutz und bei der Emissionsminderung kommt?“ Eine große Frage sei außerdem, inwieweit bestehende Schweinehaltungen tiergerecht umgebaut werden könnten – zum Beispiel durch den Einbau erhöhter Ebenen, welche die Buchten für verschiedene Verhaltensweisen wie Ruhe, Nahrungsaufnahme oder Sozialverhalten besser strukturieren. „Dazu haben wir Untersuchungen in Praxisbetrieben durchgeführt, die den Mehrwert für die Schweine eindeutig belegen“, so die Veterinärmedizinerin. Von einer kompletten Umstellung auf ökologische Schweinehaltung sei jedoch nicht auszugehen: „Vielmehr wird eine Anpassung der Haltungssysteme hin zu den Kriterien, wie sie bislang in der ökologischen Haltung gefordert sind, über die höheren Haltungsstufen erfolgen. Klar ist aber ebenso, dass sich all dies nur mit einem Mehraufwand realisieren lässt, der sich letztlich beim Preis von Schweinefleisch niederschlägt.“

Betriebe können Herausforderungen meistern

Trotz aller bisher offenen Fragen schätzt Prof. Kemper die Zukunftsaussichten der Schweinehaltung in Deutschland als positiv ein: „Die Schweinehaltung in Deutschland befindet sich in einem gewaltigen Umbruch. Ich bin aber überzeugt, dass es auch zukünftig in Deutschland Betriebe geben wird, die die Herausforderungen durch innovative Verbesserung der Haltungssysteme und neue Vermarktungswege erfolgreich meistern werden.“ Im Idealfall ermögliche ein zukunftsfähiges Haltungssystem die Haltung von unkupierten Schweinen (Kupieren = Kürzung des Schwanzes, Verstoß gegen Tierschutzrecht und als routinemäßiger Eingriff in der Europäischen Union nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt), die Vermeidung von Verhaltensstörungen sowie eine optimale Tiergesundheit – und berücksichtige zugleich arbeitswirtschaftliche Aspekte, verfahrenstechnische Machbarkeit, Biosicherheit und die ökonomischen Anforderungen, so Prof. Kemper.

Die Session „Schweinehaltung heute & morgen“ findet am 18. Januar 2024, 14.00 Uhr bis 16.05 Uhr, auf dem Leipziger Tierärztekongress statt. Neben dem Vortrag „Schweinehaltung in Deutschland weiterhin möglich? – eine wissenschaftliche Einschätzung“ von Prof. Dr. Nicole Kemper sind innerhalb dieses Themenblocks die Vorträge „Nachhaltigkeit in aller Munde – wie die Farm to Fork-Strategie die Tierproduktion verändern will“ von Dr. Hans-Peter Schons, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter e.V. (ADT) und „One health aspects of hyperprolific sows“ (One-Health-Aspekte hyperproduktiver Sauen) von Prof. Dr. Olli Peltoniemi, University of Helsinki, vorgesehen. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion.

Über den Leipziger Tierärztekongress und die vetexpo
Der Leipziger Tierärztekongress und die Fachmesse vetexpo werden von der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig, den sechs Tierärztekammern der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der Leipziger Messe GmbH veranstaltet. 5.600 Tierärzte, Tiermedizinische Fachangestellte und Studenten der Veterinärmedizin sowie 500 Referenten kamen zur vergangenen Veranstaltung vom 7. bis 9. Juli 2022 nach Leipzig. Auf der größten veterinärmedizinischen Fachmesse im deutschsprachigen Raum, der vetexpo, präsentierten sich 282 Unternehmen aus 17 Ländern auf 15.000 m² Fläche. Der 12. Leipziger Tierärztekongress findet vom 18. bis 20. Januar 2024 statt.

Leipzigertierärztekongress2024_PM_Schweinehaltung der Zukunft (DOCX, 235 kB)

Ansprechpartner

Tirza Berger
Pressesprecherin
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